Ich lese in letzter Zeit ein bisschen Marcel Prousts “Auf der Suche nach der verlorenen Zeit” und bin immerhin schon im dritten Band dieses Jahrhundertroman-Mammutwerks angekommen. Warum tu ich mir das an? Einen Roman lesen, der die Memoiren eines Typen wiedergibt, der sein Leben lang nur von einem Salon in den anderen zog, am Strand spazierte und seine Beziehungen verkomplizierte? Es ist die Sprache. Diese langen Sätze, die jeder einzeln eine philosophische Abhandlung sein könnten. Ich denke, ich sollte auch mal ausprobieren, so zu schreiben:
Ich saß vor meinem Schreibtisch, jenem alten Relikt aus Kindertagen, als mein Blick auf die neu erstandene Uhr fiel, die ich mich gekauft hatte, um nicht mehr ständig auf mein Mobiltelefon zu schauen und dachte: Die Zeit, sie geht dahin, steht still, mal lang, mal kurz und rinnt aus den Seiten meines Kalenders wie der Sirup der Ewigkeit, von dem wir Menschen nur Tropfen kosten dürfen, bis auch wir zum Tropfen werden, der im Ozean des Universums aufgeht.
Daneben ein paar Knopfzellen, Batterien, die Münzen gleichen und stets nur im falschen Format vorhanden sind, wie unsere Lebensenergie, das Temperament, das gerade dann ruht, wenn es toben sollte und wütet, wenn Ruhe angebracht.
So schien auch mein Kopf mir ein Akku zu sein, dessen Ladung die Zeit aufbrauchte, um sie im nächsten Moment unverhofft wieder mit Strom zu füllen, wie ein Tintenfass, in das ich die Feder tauchen konnte, mit der ich meine Biografie fortschrieb, um sie sogleich Wirklichkeit werden zu lassen.
Und in jenem Moment wurde ich wieder der Zeiger der Uhr gewahr, des Sekundenzeigers, der vorwärts sprang und Unaufhaltsamkeit rief, während ich mit den Zeilen hier dem Ewigen ein Scherflein abgerungen hatte, das nun frei von mir als Flaschenpost des Geistes durch die Virtualität schwamm wie ein Walfisch, der gerade erst geboren war.
“…unverhofft wieder mit Strom…”
“…ein Tintenfass, in das ich die Feder tauchen konnte…”
“…das nun frei von mir als Flaschenpost des Geistes…”
“…Virtualität…”
“…schwamm wie ein Walfisch…”
Erratische Worte.
Warum nicht eine neue Freiheit daraus geboren werden lassen?
Freiheit des Absurden.
Freiheit vom Ticken der Uhr.
Flaschenpost.
Echte Flaschenpost, nicht nur als Metapher.
Mit Feder und Tinte aus dem Tintenfass.
Rausgehen.
Raus aus dem Radius des Tickens.
Und des Handy-Läutens.
Einfach raus.
Loslassen.
Freilassen.
Einfach so!
https://flaschenposten.wordpress.com/2016/05/18/flaschenposten-raetsel-faszination-und-form/