Terroristen mit Kisten

Gestern schlappte ich unbeschwert durch unser schnuckeliges Bahnhofsgebäude, bis mein Blick so im Vorbeigehen auf einen seltsam gewandeten Brillenträger viel. Er trug ein Rüschenhemd, darüber ein schwarzes Jackett dessen Aufschläge an die Mode des vorvorletzten Jahrhunderts gemahnten, eine ältliche runde Nickelbrille, gut gekämmtes glattes blondes Haar und vor allem auf seinen mageren Knien eine Art Kiste, die mit einem Tuch bedeckt war. Ich starrte ihn ein paar Minuten an und er starrte zurück, weil er sich wohl wunderte, dass ich ihn anstarrte, was mich wiederum in Verwunderung über sein Starren versetzte und wenn ich Besonnener die Situation nicht mit einem souveränen Abgang beendet hätte, wäre vielleicht noch Wunder weiß was passiert. Am Ende hätte der Mann mit der Kiste mich noch gefragt: Was starrst n du so? und ich geantwortet: Entschuldigung, sie sehen einfach so seltsam aus! und er hätte treffenderweise pariert: Selber! und dann wäre es für den Tag mal wieder vorbei gewesen mit meinem mühsam aufgepäppelten Selbstbewusstsein. So blieb mir auf meiner Flucht nur die Spekulation über den Charakter, der sich hinter dieser komischen Figur verbarg und vor allem eine Frage: Was war das für eine komische Kiste unter dem Tuch? Eine Bombe? Damit müsste man rechnen, wird uns doch Tag für Tag von sinistren Ministern gepredigt, dass gerade an Bahnhöfen die Gefahr eines Anschlags allgegenwärtig ist. Doch nach längerem Überlegen, kam mir der Verdacht, dass ein Mann mit Brille einen etwas ausgeklügelteren Plan verfolgen könnte: Unter dem Tuch war das, was man auch harmloserweise darunter vermuten könnte: Ein Vogelkäfig! Und welche Gefahr pflegen Vögel seit einigen Jahren wie eine tickende Bombe in sich zu tragen: Vogelgrippe! Das Rüschenhemdchen wollte die Vogelgrippe verbreiten und die Menschen das Virus vom Bahnhof aus in alle Welt verbreiten lassen und wahrscheinlich war er selber sogar dagegen geimpft! So ging ich, die nahende Katastrophe vor Augen, in den nächsten Imbiss, weil ich dachte, wenn mich schon jemand vergiftet, dann wil ich das wenigstens selber sein.


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