Zu Hause – Tag 144

Der Sohn wachte auf. Sah mich mit großen Augen an und sagte dann, als wären wir schon mitten im Gespräch: „Aber meine Schwester kann noch gar nicht laufen. Sie kann nur robben.“ Manchmal wüsste man schon gerne, was in den Köpfen dieser Kinder vor sich geht.

Nach Frühstück mit der Mutter und der Tochter, die sich wieder nicht entscheiden konnte, was sie essen will, durfte ich zum Sport: Cantienica. Meine Frau hat mir einen Gutschein dafür geschenkt. Normalerweise macht man das zum Beckenbodentraining. Vielleicht eine versteckte Botschaft? Nein, es ging um meinen Rücken. Und es war echt gut. Danach fühlte ich mich so aufrecht wie ein Zinnsoldat.

Ich traf Mutter und Tochter in der Stadt. Meine Frau hatte eine große Menge Blumen eingekauft, die sie später mit dem Kinderwagen durch die Stadt fuhr. Sie meinte: „In Tübingen fällt man mit so etwas bestimmt nicht auf.“ Es fiel aber doch auf. Ich war auf dem Heimweg nicht dabei, aber ich habe jetzt dieses Bild im Kopf, wie meine Frau mit der Tochter umgeschnallt und einem Kinderwagen voller Blumen durch die Straßen läuft und die Leute vor Verzückung lachen, jubeln und in Ohnmacht fallen.

Wir hatten ein bisschen kinderfrei und konnten beide unseren Schreibtischkram machen. Ich schickte der Uni die Anwesenheitsliste meines abgeschlossenen Seminars und dachte darüber nach, wie sinnlos es in Zeiten wie diesen ist, von „Anwesenheit“ zu schreiben. Ich hatte Studierende im Seminar, die ich das ganze Semester nicht gesehen habe, wegen technischer Probleme in der Videokonferenz. Immerhin haben alle einen Text geschrieben.

Der Sohn bekam noch einen kleinen Anfall beim Abendessen, weil wir es wagten, ihm zu erzählen, dass wir ihm eine neue Matschhose gekauft haben. „Ich will aber die alte!“ schluchzte er. Veränderungen sind gerade nicht so seins. Ich ging im Anschluss zum letzten Mal Tai Chi machen vor der Sommerpause. Aus meiner Sicht war es also ein sehr sportlicher Tag.


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