Es ist passiert: Jemand hat Hitler den Kopf abgerissen. Nur leider etliche Jahrzehnte zu spät. Vielleicht wollte der Täter die Anzahl der leider nicht gerade besonders zahlreichen Attentate auf Hitler zumindest im Nachhinein etwas nach oben korrigieren. Schön, dass es so etwas noch gibt, möchte man da sagen in einer Zeit, in der die meisten Ereignisse nur noch müde vom Konsumenten abgenickt werden und mancher sich im Fernsehen nur noch die Werbung anschaut, weil das wenigstens eine ehrliche Sache ist.
Ganz anders war das noch in den wilden Zeiten nach 68. Da tourte Klaus Kinski noch mit seinem Programm “Jesus Christus Erlöser” durch die Untiefen der verkommenen Republik. Eine Aufführung dieser wahrhaften Performance kann man sich nun wieder im Kino anschauen. Kinski spricht seinen Sermon über die Köpfe der Ungläubigen in ein schwarzes Loch hinein und rastet zwischendurch ein bisschen aus.
Der Film kommt nicht ganz so krawallig daher, wie man es sich als Schaulustiger wünschen würde. Tatsächlich sieht man Kinski beim fortwährenden Versuch, seinen Text vorzutragen, dessen Anfangszeile: “Gesucht wird Jesus Christus…” sich dem Zuhörer angesichts des fortwährenden Neubeginns des beleidigten Interpreten ins Gehirn gräbt. Kinski sieht sich einem Publikum gegenüber, das gleichermaßen aus Bewunderern seiner Person, Bewunderern des Erlösers und lautstarken Kritikern besteht.
Die bekannteste Szene kommt gleich am Anfang: Kinski dichtet Jesus die Züge eines Straßenkämpfers an und ein mutiger aber eher introvertierter Mensch besteigt die Bühne und murmelt: “Als, ich denke, hmm, Jesus hätte nicht so geredet, sondern die anderen zu Wort kommen lassen, weil er tolerant war und so..” Woraufhin Kinski ihm das Mikro aus der Hand reißt und brüllt: “Weißt du was Jesus gemacht hätte? Er hätte die Peitsche genommen und dir eins in die Fresse geschlagen! Du dumme Sau!”
Damals wehrte sich das Publikum noch, auch wenn der Film dan leider nicht ganz so spektakulät weitergeht: Kinski lässt noch jemand von der Bühne schmeißen und setzt ansonsten seinen Vortrag fort, der zwar frenetisch vorgetragen und wortgewaltig daherkommt, aber doch auch offenbart, dass Kinski mal lieber bei der Rezitation von fremden Texten geblieben wäre. So hört man so tiefsinniges wie: “Jeder der zwei Kleidungsstücke hat, gebe eines davon ab und wer etwas zu essen hat, tue das gleiche.” oder: “Alle Arten von Frauen folgten Jesus: Kinder, Prostituierte…” Außerdem wiederholt der Text sich ständig, wobei vor allem das Anliegen deutlich wird, zu zeigen , dass Jesus ein wahnsinnig revolutionärer Typ war, der voll in den damaligen Zeitgeist passt. Stellenweise wirkt es so, als wolle Kinski sagen: “Aber ich bin es doch selbst, ihr Pöbel! Und wer es nicht einsieht, den werde ich mit Grimm strafen und blöd finden!”
Amüsant ist dann noch das Ende des Films: Kinski versucht vor dem letzten Rest des Publikums, das sich andächtig in einem Kreis um ihn versammelt hat, seinen Text endlich zu Ende vorzutragen und wirkt dabei zusehends wie ein störrisches Kind, das einfach nicht einsehen will, dass man an Heiligabend unterm Weihnachtsbaum nicht ernsthaft die ganze Glocke von Schiller vortragen kann.
Wie dem auch sei, auch wenn es ein bisschen müßig wirkt, einer Wachspuppe den Kopf abzureißen, so war die Aktion vielleicht doch ein nettes Symbol, das an die wilden Evenst vergangener Zeiten erinnert. Schade nur, dass sich danach nicht eine Masse von Menschen zur Diskussion über die deutsche Vergangenheit zusammenfand. Nun hat man nur eine weitere kuriose Nachricht zu verwerten, die morgen schon vom nächsten Ulk-Filmchen auf Youtube überdeckt sein wird.