Die mysteriöse intakte Familie

Ich bin ja ein Scheidungskind und saß schon in jungen Jahren einsam Bomben bastelnd auf dem Patchworkteppich meiner verworrenen familiären Bindungen, aber eine Frage ließ mir keine Ruhe: Wie sieht sie eigentlich aus, die nomrale heile Familie?

Meine Phantasie ließ mich folgende Szene imaginieren:

Die mysteriöse Familie beim Mittagsmahl

Die mysteriöse Familie sitzt am Mittagstisch, der Vater kratzt sich im Schritt und grunzt: “Könnte der Herr Sohn mir noch ein paar von den Erdäpfeln reichen, schließlich streckt er seine Pantoffeln immer noch unter meine Tafel!” und der Sohn, die Falten des Widerwillens in der Visage entgegnet: “Was hat er mir zu sagen, dessen Haupt schon vor schütteren Flechten nur noch leicht umwölkt, der er nicht einmal verstehen kann, dass ich nächtens das Bein zu heben pflege zu allerlei zeitgemäßem Schalmeienklang?”

Die Mutter schluchzt das immergleiche Lied: “Ach, dass es immer Dispute geben muss in diesem täglichen Kreise der gemeinsamen Völlerei!” Könnt ihr nicht schlemmen, ohne euer Gift zu verspritzen? Mein Nervengerüst wackelt bedenklich und meine Verdauungsorgane sind in Aufruhr!”

Die Tochter, die Hand gelangweilt in einen Eimer Nagellack tunkend, sagt mehr zu sich selbst: “So trage ich still mein Schicksal unter dem Gebrüll dieser Fratzen. Es ist wohl der Weg durch dies Dunkel, der mir aufgegeben, bis ich mich dereinst im Lichte des Laufstegs beim Knöchelbrechen von Fleischbeschauern zur Schönheit adeln lassen kann.”

So endet das Essen in der immer gleichen Szenerie:

Vater und Sohn zerstochern grummelnd ihr Essen, nachdem sie sich gegenseitig einige Stühle auf dem Rücken zerschlagen haben, die Mutter lehnt am Spülstein in der Küche und ertränkt ihre Tränen schluchzend in der mittäglichen Flasche Likör und die Tochter entschwindet durch die Wohnungstür auf dem Sozius eines mächtigen Motorrads, auf dem ein großer Geheimnisvoller sie für den Rest des Tages ans flammende Ende der Welt entführt.

So entlässt der Nachmittag die Familie noch einmal in die wohlige Unwirtlichkeit ihrer individuellen Aufgaben. Der Vater stapft, den nächsten Zigarettenautomaten unter dem Arm seinem vergilbten Büro entgegen um ein paar Schicksale zu unterschreiben. Die Mutter kehrt den Teppich und verbrennt ein paar Duftspender im Kamin. Der Sohn repariert sein Gehirn mit einem Videospiel und die Tochter ist schon lange weg.

Zum Nachtmahl schließt sich der Zirkel von neuem und man hofft, dem andern die Kraft geraubt zu haben, einem die geputzten Zähne zeigen zu können und liest sich eine Liste mit Sprcihwörtern vor.


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